Umkehr zum Leben- Gedanken zum Aschermittwoch und zur
Fastenzeit
Er stammte aus einer wohlhabenden
Tuchhändlerfamilie. In seiner Jugend führte er ein ausschweifendes Leben, das
durch den verschwenderischen Umgang mit dem Geld seines Vaters und die Neigung
zum Feiern gekennzeichnet war. Eigentlich wollte er Ritter werden. Als er aber
in den Krieg aufbrach hörte er, der Überlieferung nach, im Traum die Stimme
Gottes: „Wer kann dir Besseres geben, der Herr oder der Knecht? Warum verlässt
du statt des Knechtes den Herrn und statt des Hörigen den Fürsten?“ Ein Jahr
später, während er im Gebet versunken war, sprach der gekreuzigte Jesus zu ihm in der kleinen,
baufälligen Kirche San Damiano: „Geh, und richte mein Haus wieder her!“ Zuerst
verstand er diesen Auftrag wörtlich und tat alles um die verfallene Kirche wiederherzustellen.
Dann wurde ihm aber allmählich klar, dass jenes „Haus“ nicht das Gebäude
sondern in erster Linie sein eigenes Leben war, das einer echten inneren Umkehr
und Läuterung bedurfte. Später erfuhr er, dass er auch berufen war, die ganze,
nicht aus Ziegelsteinen sondern aus lebendigen Menschen bestehende Kirche Gottes
„herzurichten“. Er selbst wurde zum Werkzeug durch sein Gebet, seine Barmherzigkeit
und die Bereitschaft zur Versöhnung und zum Frieden. Er wusste sich von Gott geliebt und diese
Liebe wurde zum Fundament seines Lebens. In dieser tiefgreifenden,
existentiellen Erfahrung fand er die Quelle für seine seine seelsorgerische
Tätigkeit. Die Menschen spürten es. Kurz
vor seinem Tod fragte ihn einer seiner Mitbrüder: „Was läuft die ganze Welt
hinter dir her? Was du verkündest ist keine Sensation? Warum wollen dich alle
hören?“ Dieser Mann war Franz von Assisi.
Bedenke, dass du Staub bist. Kehre um
und glaube
Mit dem Aschermittwoch treten wir in
die Österliche Bußzeit ein. Schon diese Bezeichnung gibt den Sinn und das Ziel
dieser vierzig Tage an: die Besinnung und die ernste Vorbereitung auf die Feier
des Todes und der Auferstehung Jesu, mit der wir das Grundgeheimnis unseres
Glaubens begehen. Die Liturgie erinnert uns einerseits an das Sterben, die
Vergänglichkeit der menschlichen Existenz: die Asche, ein Zeichen des unausweichlichen
Todesschicksals und die erschütternde Einsicht in unsere Endlichkeit. Die die
Austeilung des Aschenkreuzes begleitenden Worte bringen das zum Ausdruck: „Bedenke
Mensch, dass du Staub bist und wieder zum Staub zurückkehren wirst.“ Das heißt,
vergiss nicht, dass du Mensch bist, dessen Jahre, Monate, Tage und Stunden
gezählt sind, dass du einmal nicht mehr sein wirst. Der Psalmist drückt diese
Unerbittlichkeit des Todes in einer dichterischen Form aus: „Des Menschen Tage
sind wie Gras, er blüht wie die Blume des Feldes. Fährt der Wind darüber, ist
sie dahin; der Ort, wo sie stand, weiß von ihr nichts mehr.“ (Ps 103, 15-16)
Aber die liturgische Feier des
Aschermittwochs will sich anderseits mit unserer Sterblichkeit nicht
abfinden. Sie ruft uns zur Umkehr zum
Leben und zur erneuten Hinwendung zu Gott auf:
-„Kehrt um zu mir von ganzem Herzen
mit Fasten, Weinen und Klagen.“, so spricht Gott durch seinen Propheten (Joel
2, 12). Kehrt um zu dem, der „gnädig und barmherzig, langmütig und reich an
Gnade ist“(vgl. Joel 2, 13)
- die Asche mit dem Kreuzzeichen kann
auch mit den Worten aufgelegt werden: „Bekehrt euch und glaubt an das
Evangelium“
-wie ein eindringlicher, aber durch
und durch positiver und beglückender Appell klingen die Worte des Apostel
Paulus an die junge Gemeinde in Korinth: „Lasst euch mit Gott versöhnen!“(2
Kor, 5, 20) In ihnen spiegelt sich der Ruf, der an Franz von Assisi ergangen
ist, wieder: „Geh, und richte mein Haus wieder her!“
Umkehr beginnt im gläubigen Vertrauen
auf die liebende Nähe Gottes
Der Aschermittwoch lädt also ein,
trotz des Wissens um die Vergänglichkeit oder gerade wegen dieses Wissens, den
Weg der Umkehr anzutreten und eine neue Haltung einzuüben. Umkehr zum Leben
bedeutet, mich von Gott ansehen zu lassen und in dieser Begegnung meine
Unvollkommenheit, meine Gebrochenheit und meine Schuld zu erkennen. So kann ich
erfahren, dass ich von Gott „bis zur Vollendung“ (Joh 13,1) geliebt bin, dass
er mir nahe ist, dass er meine Gebrechen wegnehmen kann und will, und dass er
mir eine neue Chance gibt, zu ihm zurückzukehren ihm nahe zu sein. In einem
Dokument unbekannter Herkunft spricht Gott zu jedem Menschen: „Ich kenne dein Elend, die Kämpfe und
Verwirrungen deiner Seele; die Schwachheit und Krankheit deines Körpers; ich
kenne deine Feigheit, deine Ohnmacht; gleichwohl sage ich dir: Gib mir dein
Herz. Liebe mich, so wie du bist. Selbst wenn du oft in deine Fehler
zurückfällst, die du ja lieber nicht haben möchtest: Liebe mich, so wie du
bist. In jedem Augenblick, in jeder Lage, in der du dich befindest, im Eifer
und in der Trockenheit, in der Treue oder in der Untreue. Wenn du
glaubst, mit deiner Liebe warten zu können, bis du vollkommen bist, dann wirst
du mich nie lieben. Ich liebe dich mit deiner Schwachheit. Was brauche ich dein
Wissen und deine Talente? Ich verlange nicht deine Tugenden. Wenn du viele solcher
hättest, wäre auch gleich die Eigenliebe wieder da. Ich stehe wie ein Bettler
vor deinem Herzen, ich, der Herr, und warte. Nur deine Zweifel und dein Mangel
an Vertrauen könnten mich verletzen. Daher denk daran: Liebe mich, so wie du
bist.“
Wenn ich dieser Zusage glauben kann, dann kann
ich auch vertrauen. Ich darf mein Leben- mit meinen Träumen und Visionen, mit
meinen Stärken und Schwächen, mit meinen Wünschen und Enttäuschungen, mit
meinem Bemühen und Versagen, mit Freude und Trauer, mit dem, was mir Mut gibt,
aber auch mit dem, was mir Angst macht- in Gottes Hände fallen lassen, denn ich
weiß: er liebt mich so, wie ich bin, wenn ich falle, schenkt er mir Kraft
aufzustehen. Dieses Vertrauen bewirkt echte Umkehr. Wenn ich mich von der Liebe
Gottes, die alle menschlichen Vorstellungen übersteigt, ergreifen lasse und
diese Liebe zum Fundament meines Lebens wird(wie bei dem hl. Franz von Assisi),
kann die „Zeit der Gnade“, der „Tag der Rettung“ reiche Frucht in mir bringen.
Erst dann, wenn ich mich ganz auf Gott und seine Kraft verlasse, spüre ich,
dass mein Leben einer Kurskorrektur bedarf: einer „Abwendung vom Bösen“ und
einer „Entscheidung für das Gute“(vgl. Tagesgebet).Das kann ein Abenteuer sein,
bei dem ich mir aber der Hilfe Gottes gewiss sein darf.
Jetzt ist die Zeit der Umkehr
In den Worten, die der Apostel Paulus an die
Korinther richtet, scheint es wichtig zu sein, auf das Adverb „jetzt“ hinzuweisen.
„Jetzt ist sie da, die Zeit der Gnade, der Tag der Rettung.“ (vgl. 2 Kor 6, 2)
Wir sind durch die Liturgie des Tages zur Umkehr aufgefordert, allerdings nicht
morgen sondern heute. Die Unmittelbarkeit ist gefragt und die Gegenwart ist die
Zeit der Entscheidung. Wenn wir uns in die Abgründe unseres Herzens vorwagen,
dann hören wir vielleicht diese leise, oft unbemerkte Stimme Gottes, die uns,
wie damals den Franz von Assisi, vor die Frage stellt: „Wer kann dir Besseres
geben, der Herr oder der Knecht? Warum verlässt du statt des Knechtes den Herrn?“
Wer ist dieser Knecht für mich heute? Alles, was an die Stelle Gottes getreten ist,
was vergötzt und angebetet wird. Das können durchaus auch die eigentlich positiven Lebensinhalte sein wie
Geld, Besitz, Erfolg, Ansehen, wenn sie zum Wichtigsten in meinem Leben
geworden sind. Wenn Gott an erster Stelle steht, hat alles andere seinen
richtigen Platz. Auch darüber nachzusinnen, ist die österliche Bußzeit da.
In einem modernen Kirchenlied heißt es: „Jetzt
ist die Zeit, jetzt ist die Stunde. Heute
wird getan oder auch vertan, worauf es ankommt, wenn er kommt.“ Gehen wir mit
Unmittelbarkeit, Entschiedenheit und im gläubigen Vertrauen auf Gott den Weg
der Umkehr! Dann werden wir an Ostern eine neue, sinngebende, lebensspendende und
freudebringende Begegnung mit dem Auferstandenen erfahren.
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