Christus Jesus war Gott gleich, hielt aber nicht daran fest, wie Gott zu sein, sondern er entäußerte sich und wurde wie ein Sklave und den Menschen gleich. Sein Leben war das eines Menschen; er erniedrigte sich und war gehorsam bis zum Tod, bis zum Tod am Kreuz.
Darum hat ihn Gott über alle erhöht und ihm den Namen verliehen, der größer ist als alle Namen, damit alle im Himmel, auf der Erde und unter der Erde ihre Knie beugen vor dem Namen Jesu und jeder Mund bekennt: „Jesus Christus ist der Herr“ - zur Ehre Gottes, des Vaters. (Phil 2, 6-11)
In der zweiten Lesung wird uns ein frühchristlicher Hymnus vorgestellt als kurzer Einschub in dem Brief an die Philipper. Er enthält bereits entscheidende Aussagen über das Erlösungswerk und das Geheimnis der Person Christi. Mit diesem biblischen Text treten wir am heutigen Tag, dem Palmsonntag, in die größten Geheimnisse unseres Glaubens, den Tod und die Auferstehung Jesu Christi ein. Sie werden uns in den kommenden Tagen besonders nahe gebracht.
Das Bild Jesu im „Philipperhymnus“ (Phil 2, 6-11)
- „Christus Jesus war Gott gleich“ das heißt, dass er in seiner vorirdischen Erscheinungsweise als Mensch ganz Gott war (er hatte die Seinsweise Gottes inne). Was heißt das anderes, als dass wir alle Eigenschaften, die wir Gott Vater zuschreiben (Allmacht, Weisheit...) auch auf ihn beziehen.
- „Er hielt nicht daran fest, wie Gott zu sein, sondern er entäußerte sich.“ Jesus hat an seiner Seinsweise als Gott nicht selbstsüchtig festgehalten. An einer anderen Stelle (2 Kor 8, 9) beschreibt Paulus diese Entäußerung: „Er, der reich war, ist arm geworden.“
- „Er wurde wie ein Sklave und den Menschen gleich. Sein Leben war das eines Menschen.“ Seine Umwelt konnte dies an seinem Verhalten, seinem Denken und Handeln feststellen, dennoch gab es Fragen zu manchen Begegnungen mit Jesus, die ein rein menschliches Verhalten überstiegen (Sündenvergebung, Totenerweckung, Krankenheilung). Das stellte sie vor Fragen, wer dieser Jesus wirklich sei. Sicher bestanden Zweifel, ob dieser Jesus nicht vielleicht der verheißene Messias sei. Sein Verhalten beim Leiden und Kreuz jedoch verführte sie zu der Aufforderung: „Wenn du Gottes Sohn bist, rette dich selbst und steig herab vom Kreuz!“ (Mt 27, 40b) Es blieb der Umwelt verborgen, dass Jesus seine Leidensgeschichte im absoluten Gehorsam gegenüber seinem Vater vollzogen hat. Er entschied sich einfach dazu, den Weg des Menschseins bis zum Äußersten zu gehen, bis zum Tod. Er ist durch alle menschlichen Höhen und Tiefen gegangen und blieb dennoch Gott, der in ihm den Menschen bis heute nahe ist.
Das Bild Jesu im Glauben der heutigen Christen
Man kann annehmen, dass viele der heutigen Christen einen Zugang zur Bibel haben und deshalb die Ereignisse aus dem irdischen Leben Jesu kennen. Dennoch ist es berechtigt zu fragen, inwieweit der Philipperhymnus, der inhaltlich relevant ist, das Leben der Christen im 21. Jahrhundert berührt. Welche Stelle nimmt dieser Christus im öffentlichen Leben, in der Gesellschaft und in der Politik ein? Es ist zu erkennen, dass das Wirken Jesu für die Welt sehr theoretisch gesehen wird und das eigene Denken und Handeln kaum beeinflusst. Viele Ereignisse unserer Gegenwart wären nicht so möglich, wenn Christus bei den Handelnden angekommen wäre (Kriege, Verfolgung…). Die Aussage des Paulus. „[…] Gott hat ihn über alles erhöht und ihm den Namen verliehen, der größer ist als alle Namen, damit alle im Himmel, auf der Erde und unter der Erde ihre Knie beugen vor dem Namen Jesu und jeder Mund bekennt: „Jesus Christus ist der Herr“ - zur Ehre Gottes des Vaters“ (Phil 2, 9-11) scheint nicht angenommen zu werden und bleibt eine theoretische, äußere Formel. Doch darf man nicht übersehen, dass es in der Kirche von heute, in Gemeinden und Gemeinschaften das ehrliche Bemühen gibt, diesem, ihrem Herrn, zu begegnen.
Das Bild Jesu in meinem persönlichen Leben
Wir sind hier in diesem Gottesdienst/in dieser Eucharistiefeier, weil dieser Christus uns wichtig ist. Wir knien nieder bei den Wandlungsworten und vor dem Tabernakel in dem Glauben: hier ist Christus, der erniedrigte und erhöhte Gottes Sohn gegenwärtig. Welche Rolle spielt er aber, wenn wir nach dem Schlusssegen das Gotteshaus verlassen und in unseren Alltag zurückkehren. Das Bewusstsein des Erlebten, ihn empfangen und in uns aufgenommen zu haben, in seinem Wort und Sakrament des Altares, kann uns die Kraft geben, ihn im Alltag zu bezeugen. Der Verfasser der Apostelgeschichte beschreibt es so: „[…] in ihm leben wir, bewegen wir uns und sind wir“ (Apg 17, 28) Es ist tröstlich zu wissen, dass unser Gott das Menschsein kennt, mit all seinen Licht- und Schattenseiten. Er weißt, was es bedeutet, Durst und Hunger zu haben, heimatlos zu sein, müde und erschöpft zu sein, aber auch fröhlich und begeistert; er weiß, was es bedeutet krank, hilflos und von Todesangst geplagt zu sein. Wir dürfen also in dem Bewusstsein leben und darauf vertrauen, dass Gott jede unserer Situationen im Alltag kennt, unsere Lebenswege begleitet. Der große evangelische Theologe Dietrich Bonhoeffer drückte dieses sein Vertrauen so aus: „Gottes Wege mit uns sind die Wege, die er selbst gegangen ist und die wir nun mit ihm gehen sollen. Keinen Weg lässt uns Gott gehen, den er nicht selbst gegangen wäre und auf dem er uns nicht voranginge. Es ist der von Gott gebahnte und von Gott geschützte Weg, auf den er uns ruft. So ist wirklich sein Weg.“
Wenn wir Christus in unser Leben einlassen, ihm einen Platz in unserem Alltag geben, können wir Zeugnis geben, dass Christus, der über alles erhöhte Herr zur Ehe Gottes des Vaters ist (vgl. Phil 2, 11). Durch mein Leben und Handeln sollen die Menschen in meiner Umgebung Mut bekommen, sich ihm zu öffnen und ebenso der Führung Gottes anzuvertrauen, um selbst die Erfahrung der liebenden Nähe Gottes zu machen.
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