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Samstag, 15. Juni 2019

Predigt zum Dreifaltigkeitssonntag


Das unsagbare Mysterium der Liebe


Sie gilt als einer der Höhepunkte der russischen Malerei, die Anfang des 15.Jahrhunderts entstandene Dreifaltigkeitsikone von Andrei Rubljow, die heute in der Tretjakow-Galerie in Moskau ausgestellt ist. Das Bild der Heiligen Dreifaltigkeit wird anhand einer Szene aus dem Alten Testament dargestellt: dem Besuch der drei Engel bei Abraham und Sara, die ihnen die Geburt des Erstgeborenen vorhersagten (vgl. Gen 18, 1-15). Die Gestalten sitzen um den Tisch-Altar auf dem sich ein Kelch befindet. Ihre Körperhaltung bildet einen offenen Kreis. Die Engelsflügel berühren einander und vermitteln so den Eindruck von Gemeinschaft und Einheit.
Viele Deuter der Ikone sehen in der mittleren Person Gott Vater. Er segnet mit seiner Hand den Kelch. Der sich hinter ihm befindende Baum weist auf den Lebensbaum im Garten Eden hin. Sein Blick ist auf die zu seiner Rechten sitzende Gestalt gerichtet. Es ist der Sohn, dessen Hand auf den Kelch zeigt. Er bringt damit zum Ausdruck, dass er die Sendung, für die er bestimmt ist, annimmt. Das Haus hinter seinen Rücken bedeutet die Kirche; es kann aber auch an die Worte Jesu erinnern: „Im Hause meines Vaters gibt es viele Wohnungen. […] Ich gehe, um einen Platz für euch vorzubereiten.“ (Joh 14, 2) Der Sohn schaut auf die dritte Person, in der wir die Gestalt des Heiligen Geistes erkennen können. Über ihm sieht man einen Berg- eine Anspielung auf den Felsen in der Wüste, aus dem das Wasser floss (vgl. Ex 17, 1-7). Der Heilige Geist also als Lebensquelle und Lebensspender. Seine Augen schauen hinunter auf eine viereckige Öffnung im Altar, die unsere Welt symbolisieren kann. Der vierte Platz am Tisch ist unbesetzt. Der Betrachter der Ikone kann sich eingeladen fühlen, diesen Platz im Leben der Trinität einzunehmen. 


Das Geheimnis der Dreifaltigkeit
Andrej Rublëv 001
Quelle: www.wikipedia.de
Rubljows Ikone ist nur ein Versuch, sich dem unsagbaren, unbegreiflichen und unendlichen Geheimnis der Heiligsten Dreifaltigkeit zu nähen. Auch das heutige Evangelium, das ein Abschnitt der sogenannten Abschiedsreden Jesu ist, beschäftigt sich mit diesem Thema.
Die Jünger Jesu, aber auch die Christen an die sich das Ende des 1. Jahrhunderts entstandene Johannesevangelium wendet, sind nicht in der Lage, all das, was Jesus offenbart und in seinem Wirken gegenwärtig setzt, zu begreifen. „Noch vieles habe ich euch zu sagen, aber ihr könnt es jetzt nicht tragen.“(Joh 16, 12) Jesus versichert nun: „Wenn aber jener kommt, der Geist der Wahrheit, wird er euch in die ganze Wahrheit führen.“ (Joh 16, 13) Im Griechischen heißt diese Stelle: „der Geist der Wahrheit wird euer Wegführer sein in der Wahrheit.“ In Jesus Christus erkennen wir das wahre Antlitz des Vaters (vgl. Joh 1, 18). In diese Wahrheit führt der Heilige Geist die Christen ein und wird sie auch vertiefen. Dieser Geist ist die Frucht des Paschamysteriums, die Gabe des Auferstandenen an alle, die an ihn glauben. Der Sohn offenbart, was er vom Vater gehört hat und der Geist erinnert, erklärt und hält all das lebendig, was Jesus gesagt hat. Nur so ist es auch uns möglich, an dem Geheimnis des Sohnes und über ihn an dem Geheimnis des Vaters teilzunehmen. Das bringt auch das heutige Tagesgebet zur Sprache: „Himmlischer Vater, du hast dein Wort [Jesus Christus als das Wort des Vaters] und deinen Geist in die Welt gesandt, um das Geheimnis des göttlichen Lebens zu offenbaren.“


Der trinitarische Gott ist die Liebe


Worin besteht nun das tiefste Geheimnis des göttlichen Lebens? Es ist Liebe. Sie ist gleichzeitig „das grundlegende Sprachmuster, mit dem wir über Gott weiterdenken können.“(Walter Kirchschläger) Liebe ist Beziehung, sie braucht ein existierendes „Du“, sie beinhaltet Gemeinschaft und Selbsthingabe. Wo Liebe lebt, gibt es keinen Raum für Konkurrenz, Neid und Eifersucht. Das Geheimnis der göttlichen Liebe kann man nicht begreifen, es entzieht sich unserem Denken. Menschliches Sprechen vermag es nicht angemessen auszusagen. In der Dreifaltigkeit begegnen wir zwei Personen, die einander lieben, durch diese Liebe und in ihr eins sind. Versuchen wir es so zu beschreiben: der Vater ist der Liebende, der Sohn der Geliebte und der Geist die personifizierte Liebe zueinander- drei Personen eins in der -und durch die Liebe.
Die Liebe bleibt nicht nur in Gott, sie ist auch seine leidenschaftliche Beziehung zu den Menschen. Der dreifaltige Gott sucht Gemeinschaft mit uns, schenkt uns seine Nähe, nennt uns Freunde und lässt uns an seinem Leben teilhaben. „Denn Gott hat die Welt so sehr geliebt, dass er seinen einzigen Sohn hingab[…].“( Joh 3, 16) und „Die Liebe Gottes wurde uns dadurch offenbart, dass Gott seinen einzigen Sohn in die Welt gesandt hat, damit wir durch ihn leben. Nicht darin besteht die Liebe, dass wir Gott geliebt haben, sondern dass er uns geliebt hat[…].“ (1Joh 4, 9-10) Wenn wir diese Liebe weitergeben dürfen, ist das nicht unser Verdienst, sondern Gottes Geschenk. Mit der Liebe geben wir gleichsam IHN selbst weiter.

Die Liebe Gottes erfahren, leben und weiterschenken


Das heutige Fest der Dreifaltigkeit lädt uns ein, das tiefste Mysterium unseres Gottes, seine Liebe, von neuem zu erahnen und in der Erfahrung dieser Liebe zu wachsen. Versuchen wir in der Stille des persönlichen Gebetes in das Geheimnis der Trinität einzutauchen. Öffnen wir uns ihm bei der Feier der Eucharistie, in der Erfahrung liebender Barmherzigkeit im Sakrament der Buße, durch das Lesen der Heiligen Schrift. Entdecken wir es in der christlichen Nächstenliebe…
Als Christen sind wir aufgefordert diese Liebe des Vaters, die uns in Jesus Christus offenbart wurde und durch den Heiligen Geist in unsere Herzen ausgegossen ist(vgl. Röm 5,5), durch unser Leben, unser Glaubenszeugnis an andere Menschen weiterzuschenken, damit auch sie das Geheimnis des göttlichen Lebens erahnen und als sein Geschenk erfahren können.
Nehmen wir so den Platz ein, den Adrei Rubljow auf der Ikone für jeden von uns freigelassen hat. Machen wir uns neu bewusst, dass Gott uns in seine Dreifaltigkeit hineinnehmen will. Wir dürfen, ja sollen in Gott, mit Gott und aus Gott leben, schon heute, nicht erst in der Ewigkeit.




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